Immer früher anbauen durch Einsatz von Plastik?

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Des Weiteren  gab es Felder von Zwiebeln unter Vlies, kniehohe Frühkartoffeln, denen das Vlies für eine Bearbeitung der Reihen schon entfernt werden musste, so hoch ist das Laub Mitte April. Das ist also zu einem Zeitpunkt, wo die Lagerkartoffeln noch nicht einmal gepflanzt worden sind, sondern gerade mal zum Vorkeimen ausgelegt wurden.

Legst mi im April, kimm i wann i will. Legst mi im Mai, kimm i glei. 🙂

Außerdem war da noch ganz früher Spargel unter Folie und Vlies angebaut, zur Ernte im März. Dazu erreichte mich noch ein höchst interessantes 5-Minuten Video über Frühspargel, während gleichzeitig frustrierte Gärtner verschneite Gärten aus fast allen Teilen Deutschlands posteten.

https://www.youtube.com/watch?v=Uq9Zf9IT7W4

Die riesigen, weißen Flächen mit Vlies auf den Fotos haben mich schon lange unangenehm berührt, aber den Vogel abgeschossen hat dann ein Foto von Zuckermais unter Vlies. Im Feldanbau auf riesigen Flächen.  Ich möchte es Dir nicht vorenthalten. Dieses Foto hat in mir das Maß voll gemacht, welches ich brauchte, um auch meine eigenen Anbaumethoden noch einmal kritisch zu hinterfragen.

Zuckermais im Feldanbau mit Vlies. Zur Bearbeitung kurz gelüftet.

Zuckermais ist sehr kälteempfindlich, genau wie Kartoffeln und daher hatte ich mich kurz vor dem Erreichen des oberen Bildes gerade gefragt, ob ich es wagen könnte, den Mais in Vorkultur im Wohnhaus jetzt schon vorzuziehen für eine Pflanzung Mitte Mai. Diese Frage noch unschlüssig hin und her bewegend, wurde ich nun beim Anblick des Fotos wachgerüttelt, mir blieb der Mund offen beim Anblick dieser Maisvlies Wüste.  😮

Wo geht diese Entwicklung hin?

Auch im Hobbygarten beobachte ich diesen Trend zu immer früherer Aussaat oder Pflanzung mit allen möglichen Hilfsmitteln seit Monaten in den Facebook Gartengruppen. Da werden Gurken und Zucchini schon Anfang März gesät, auch wenn besonders für die Gurken kein Gewächshaus den nötigen Schutz geben könnte, weil diese Gärtner eine Freilandpflanzung planen.

Der Drang von uns Gärtnern geht für viele hin zu immer früher und immer schneller. Angeregt durch solche Beispiele, wo mit sehr viel Aufwand an Zeit, Liebe und Plastik die Pflanzung tatsächlich gelingt, folgen andere Gärtner diesen frühen Aussaat- und Pflanzterminen. Auch ich habe derzeit eine frühe Reihe Kohlrabi unter Plastikhütchen im Freiland stehen, außerdem einen Vliestunnel mit Salaten.

Eine Reihe Kohlrabi unter Plastikhauben, die roten Salate vertragen etwas mehr Kälte.

Der Plastikmüllberg wächst

Solch ein Anbau funktioniert, ja, aber das Unbehagen wird bei mir durch das Wissen um den wachsenden Plastikmüllberg ausgelöst. Der landet nicht immer in der Plastik Recyclinganlage, sondern wird oft verbrannt. Letztendlich landet all dies Plastik entweder über die Luft, das Grundwasser oder den Boden in unserer Nahrung, also in unseren Körpern. Auf den beiden Fotos vom Erwerbsanbau wurde es mir nur sehr viel bewusster, dass ich zu unkritisch einem Trend folge, der vielen Gefahren birgt.

Habt Ihr schon einmal Fetzen von zerschlissenen Plastikplanen in Euren Beeten vorgefunden? Ich ja, da einer meiner Nachbarn Holz neben meinem Garten lagert und die Plastikabdeckung in die Jahre gekommen ist. Die Plane, von der ich hier spreche ist von keiner guten Qualität gewesen und löste sich mit der Zeit in viele, ganz feine Streifen auf. Das sehe ich nicht gerne, so etwas möchte ich nicht in meinem Boden haben.

Das Zauberwort Gemüsevlies 🙁

Bei der Recherche für diesen Artikel habe ich nach den Bestandteilen von Gemüsevlies gegoogelt, sie werden aus Polypropylen hergestellt, einem Kunststoff, der in der Produktion eine Belastung für die Umwelt darstellt. In den beliebten Hütchen sind noch zusätzliche Weichmacher, die festen Folien stellen die größte Belastung dar.

Diese Vliese halten zwar nicht nur eine Saison, aber nach einigen Jahren sind auch sie durch das Wetter beschädigt, reißen ein und müssen entsorgt werden.

Früher Anbau durch Einsatz von Plastik im Gemüsevlies
Unter diesem Vliestunnel aus Polypropylen wachsen Pflücksalate.

Was wäre, wenn sich mehr und mehr Hobbygärtner diesem Trend anschließen würden, immer früher und schneller eigenes Gemüse ernten zu wollen?

Die Argumente der Erwerbsgärtner sind zwar einerseits nachvollziehbar, ändern allerdings nichts am Plastikmüllberg, weil sie sich am Kaufverhalten der Verbraucher orientieren. Der Konsument möchte außerhalb des jahreszeitlichen Rhythmus Gemüse und Obst in nie dagewesenen Übermaß kaufen. Bekommt er dieses nicht aus deutschem Anbau, dann eben aus südlicheren Ländern. Oder aus anderen Kontinenten. Da kommt dann gleich noch zusätzlich das Transportproblem mit dazu.

Wenn nun die Landwirte Sorge um ihren Absatzmarkt haben, dann beugen sie sich dem Druck zu immer früheren Anbau, um diese Käufer nicht an den ausländischen Markt zu verlieren.

Müssen wir diese Tendenz im Hobbygarten mitmachen?

Was sind bei mir die Gründe, weshalb ich inzwischen jedes Jahr Vlies benutze? Muss das wirklich sein? Baue ich nicht gerade deshalb meine eigene Bio Nahrung an, um wieder zurück zur Natur zu finden?

Ich habe mich gefragt, was bewegt mich jedes Jahr aufs Neue zu diesem Verhalten und meine Gründe möchte ich Dir im Folgenden schildern. Vielleicht entdeckst Du Dich ja in einigen Punkten wieder.

  • Pure Freude und Begeisterung am Gärtnern

Nach dem Winter kommt bei mir im Januar, spätestens Anfang Februar die Vorfreude und Lust am Gärtnern so richtig in Schwung. Ich werde ungeduldig und möchte mich der Wachstums Freude widmen. Also fange ich an, die ersten Aussaaten zu tätigen. Paprika, Physalis und Chili. Das ist auch ok so, weil diese drei ein extrem langes Jugendwachstum haben und am Anfang sehr langsam wachsen.

Dann allerdings macht mir das so ein Spaß, dass ich mich nicht mehr bremse, sondern mit der Lösung des Vlies im Hinterkopf schon Ende Februar Kohlrabi und Salate aussäe. Dann Tomaten, Brokkoli und im März natürlich die Sommerblumen, wie Tagetes, Sommerastern, Zinnien usw. Das säe ich alles im Wohnhaus aus, aber irgendwann wird es zu groß und muss raus. Was tun, wenn es noch zu kalt ist?

🙁 Das Zauberwort scheint hierfür Vlies zu sein. 🙁

Besonders am Anfang meines Gärtnertums wusste ich noch nicht so genau, wie lange die Vorkultur der einzelnen Pflanzen betrug. Wer in Unkenntnis zu früh mit der Aussaat begonnen hat, der hat spätestens Ende April ein großes Problem. Wohin mit den ganzen Aussaaten, die inzwischen so groß geworden sind, dass sie eigentlich dringend nach draußen müssten. Besonders tragisch bei Gurken, Zucchinis, Kürbissen und Tomaten.

Während ich diese Zeilen schreibe, werden mir Fotos und Videos zugesendet vom Wintereinbruch in Deutschlands Gärten. Es werden Fragen gestellt, wie die schon gepflanzten Physalis vor der Kälte geschützt werden können? Was tun mit den gepflanzten Tomaten? Das sind alles Sorgen, die aus der verfrühten  Pflanzung entstanden sind. Oft sind Vliese die Rettung, aber wären wir nicht so ungeduldig mit der Aussaat und Pflanzung, würde der Aufwand gar nicht nötig sein.

Video über die Kombination von Vlies mit zwei Teelichtöfen im Gewächshaus in kalten Nächten

Das folgende Video habe ich mit sehr gemischten Gefühlen aufgenommen, es entstand aus dem Wunsch, Euch den Teelichtofen zu zeigen und demonstiert gleichzeitig den hohen Vliesverbrauch von so frühen Aussaaten auch bei mir. Ich bin nicht mehr überzeugt von meiner bisherigen Anzuchtmethode. 🙁

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Sprossenzucht bringt gesundes Grün und bedient die Zimmergärtner Lust

Eine ganz wundervolle Lösung und Erweiterung der Gärtner Möglichkeiten ist hier die Sprossenzucht. Spätestens nach Weihnachten hole ich meine Keimschalen und Keimgläser heraus und lasse es auf den Fensterbänken grün werden. Wenn man sich einmal mit der Sprossenzucht beschäftigt, tun sich ungeahnte Möglichkeiten für Ungeduldige auf.  😉

Hier habe ich ein E-Book für Dich, welches mich total begeistert hat und sehr wertvolle Hinweise gibt. Silke Leopold ist genauso überzeugte Sprossengärtnerin wie ich es in meinem Biogarten bin. Eine Frau mit Authentizität!

 

Ein tolles E-Book über Sprossenzucht von Silke Leopold

 

  • Gärtnerischer Ehrgeiz: Ich möchte zu den Ersten gehören!

Dieser Beweggrund hat nur zum Teil mit meinem Schaugarten zu tun. Natürlich möchten die Besucher meines Schaugartens auch schon im Mai möglichst viele Anregungen aus meinem Garten mit nach Hause nehmen, Daher sollte ich nicht die letzte aus meinem Dorf sein, die zur Aussaatschale greift. Aber muss ich wirklich auf Kosten der Umwelt noch zusätzlich meiner gärtnerischen Eitelkeit schmeicheln? Es ist fast schon ein kleiner Wettbewerb unter manchen Gärtnern, stolz seine früheste Ernte zu präsentieren. Das ist menschlich, aber möchte ich dafür wirklich unseren Kindern so eine Belastung hinterlassen? Kann es mich nicht auch alternativ mit Stolz erfüllen, mit zu den Ersten in meinem Umfeld zu gehören, die die Gefahr erkannt haben und wirklich bewusst etwas verändern und weitergeben?

  • Großes Bedürfnis nach frischer, eigener Kost

Ein weiterer Grund für den verfrühten Beginn bei mir ist die große Lust auf frisches Grünzeug. Gerade bei diesem Punkt ist mir in diesem Jahr eine Alternative bewusst geworden, die so einfach ist, dass wir sie oft gar nicht mehr sehen.

Ein Erntekorb voller Brennnesseln, gewachsen ohne Vlies. Brennnesseln lachen dem nasskalten Aprilwetter ins Gesicht!

Wildkräuter sind die Antwort der Natur auf das Dilemma

Ich spreche von Wildkräutern! Seit mindestens einem Monat ernte ich jeden Tag große Mengen an frischem Grün, allen voran die Brennnessel und etwas später dann den Giersch, Löwenzahn, Gänseblümchen. Außerdem noch sehr viel eigenen Freiland Feldsalat und Postelein. Besonders die Brennnessel als Königin der Wildpflanzen hat Daniela Maigua in ihrem Gastartikel ausführlich beschrieben. Bei mir wächst sie in großen Mengen im Garten und vor allen Dingen neben meinem Garten. Und weißt Du was, ich pflege sie sogar für ihre wertvollen Inhaltsstoffe. Sie bekommen bei mir tatsächlich ab und zu eine Kanne sEM.

Das ist ein besonders üppiger Bestand direkt neben meinem Garten. Selbstbedienung erwünscht!

Wir sind in den meisten Fällen doch so weit von der natürlichen Wertschätzung weggekommen, dass uns gar nicht mehr bewusst ist, dass die Natur dieses Bedürfnis nach frischen Grün im März/April reichlich sättigt. Ganz ohne Einsatz von Plastik wachsen draußen viele Pflanzen heran, die widerstandsfähig genug gegen Aprilwetter sind. Außerdem den Zuchtformen an Vitaminen und Inhaltsstoffen haushoch überlegen sind. Ihnen macht der Schneefall am Ostermontag nichts aus, sie haben noch die Power der ursprünglichen Natur in sich.

Ein Pfannkuchen mit Brennnesselfüllung und frischen Sprossen. Der war richtig lecker!

In meiner Wildkräuter Serie habe ich einige Gastautoren zu Worte kommen lassen, die genau über diese Vorzüge geschrieben haben. Zudem sind die aufgeführten Wildpflanzen auch noch dem Frühjahrs Rhythmus verbunden mit dem natürlichen Drang zur Entgiftung nach dem Winter. All diese Werte sehe ich nicht mehr, wenn ich weiterhin unkritisch einen Trend verfolge, der mich von der Natur entfernt, anstatt mich zu ihr zurück zu führen. Wenn mein Hauptaugenmerk nur darauf gerichtet ist, wie ich die Kulturformen gegen den Rhythmus in der Natur durchzwinge, kann ich die Schätze der Natur nur wenig wahrnehmen.

Warum in die (Plastik)Ferne schweifen? Sieh, das Wildkraut liegt so nah! ( Frei nach Goethe: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.)

Dafür war die Wetterlage in dieser nachösterlichen Woche ein Paradebeispiel! Purer Stress bei den Ungeduldigen war angesagt und in manchen Gärten gab es auch mit Vlies großen Schaden. 🙁

 Was kann jeder einzelne Gärtner tun?

Werde ich jetzt meine Sammlung aus Vlies der nächsten Plastikmüllabfuhr vermachen? Natürlich nicht, sie sind nun schon einmal da und in kalten Nächten werde ich sie auch weiterhin schützend über die Aussaaten im Gewächshaus ausbreiten, aber neue werde ich nicht mehr kaufen.

Jeder einzelne Biogärtner, dem der Erhalt der Umwelt genau so wichtig ist wie seine eigene Gesundheit, kann sich diese Zusammenhänge immer wieder bewusst machen. Kann abwägen, wo die Ungeduld der Vernunft und weisen Voraussicht weichen kann. Wo der Gärnterstolz darauf beruht, einer der Ersten zu sein, der das Ziel der ökologischen Vertretbarkeit der Methoden immer schneller erreicht! Wo die Lust auf frisches Grün im zeitigen Frühjahr durch lange nicht mehr wertgeschätzte Wildpflanzen gestillt wird.

Vielleicht hast Du ja noch weitere Tipps und Anregungen dazu? Oder möchtest in einem Kommentar Deine Meinung dazu schreiben? Ich freue mich auf Deine Gedanken dazu, wie Du den Weg zurück zur Natur gehst.

2 Kommentare

  • Danke liebe Astrid <3
    Eigentlich hab ich auf Anregung eines Mischkulturbeetes im März von dir gegoogelt, wie so ein Gemüsevliestunnel ausschaut.
    Und da bin ich auf diesen Artikel von dir gestoßen, den ich eigentlich schon voriges Jahr gelesen habe, aber wieder drauf vergaß.
    Wie schön, dass ich wieder daran erinnert wurde,
    Danke für deine ausführlichen Gedanken, die mich in meinem Frühlingstempo wieder runterkommen lassen 🙂
    Ganz liebe Gärtnerinnengrüße und ein großes DANKE
    Gabi

    Antworten
    • Liebe Gabi,
      wie schön, dass Dich meine Gedanken bewegen konnten. Fang doch einfach schon einmal mit der Aussaat von Tomaten an, das ist auch sehr erfüllend für die nächsten Wochen. Und natürlich Sprossen und Keimlinge.
      Ganz herzliche Grüße
      Astrid

      Antworten

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