Kinder verstehen: Der Trennungskomplex 1. Teil

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Wenngleich diese Webseite meiner Hauptleidenschaft gewidmet ist, dem Biogarten, möchte ich trotzdem immer wieder in der Rubrik ‘Familie’ dem dringendem Bedürfnis folgen, das Wissen von Prof. Gordon Neufeld zu verbreiten. Wie Du dem Titel schon entnommen hast, geht es in diesem Artikel um Trennung. Das ist eines der zentralsten Themen überhaupt im Leben eines jeden Menschen.

Hilfe in der Not

Ein erweitertes Verständnis für Bindung und Trennung lernte ich zum 1. Mal vor ca. 4 Jahren kennen. Damals war ich auf der Suche nach neuen Erkenntnissen für meine Lehrerinnentätigkeit und entdeckte dabei das Neufeld-Institut Deutschland. Als Projektleiterin des Schulgartens an der Mittelschule meiner Heimatstadt wurde ich so extrem herausgefordert, dass ich mit meinem damaligen Latein am Ende war. Mittlerweile verstehe ich die Dynamik unter den Schülern und mir so weit, dass ich den Unterricht im Projekt erfolgreich halten kann. Auch bei Problemen mit unseren eigenen Kindern waren diese Erkenntnisse schon oft sehr hilfreich. In den meisten Fällen resultierten die Schwierigkeiten aus Störungen in der Bindung, also Trennung.

Da Bindung im Leben eines Menschen zu den wichtigsten Bedürfnissen zählt, muss zwangsläufig die Konfrontation mit Trennung eine Riesenbelastung für uns Menschen darstellen. Dazu möchte ich Dir eine Begebenheit ganz frisch aus meinem Leben erzählen, die den Trennungskomplex sehr schön widerspiegelt.

Ein Beispiel einer alarmierenden Trennung

Während wir Teilnehmer am ersten Tag hochkonzentriert und aufmerksam den Ausführungen der kanadischen Referentin folgten, wurden plötzlich von draußen aufgeregte Stimmen immer lauter. Ein Dreijähriger war verschwunden!

Alle Seminarteilnehmer waren ab dem Zeitpunkt schlagartig nicht mehr richtig bei der Sache. Einige von uns liefen nach draußen, um den Eltern bei der Suche zu helfen. Wahrscheinlich gab es niemanden im Raum, dem nicht die gefährliche Nähe des Starnberger Sees ins Bewußtsein kam. Dieser war nur wenige Gehminuten entfernt und der Kleine konnte noch nicht schwimmen.

Alarm wird ausgelöst, die Bindung ist in Gefahr!

Erdmännchen
Ein Erdmännchen im Suchmodus!

Die Gedanken und Sorgen der Eltern konnten wir sehr gut nachempfinden und so vergingen bange Minuten, in denen die Unruhe jede Konzentration auf die Tagesordnung sehr schwierig machte. Da wir ja alle selbst Kinder hatten oder zumindest beruflich viel mit ihnen zu tun hatten, waren wir voller Mitgefühl.

Nähestreben

Jetzt war nur noch eines wichtig: Den Jungen zu finden! Die Suche ging fieberhaft weiter. Die Hitze des Tages machte uns plötzlich nichts mehr aus, die Gedanken kreisten nur noch um den Jungen und alles andere war Nebensache. Der total unruhige Scanmodus hatte die Vorherrschaft übernommen und sorgte mit einem Adrenalinschub für maximale Aufmerksamkeit und Hochspannung. Wir mussten ihn finden!

Frustration

Mit jeder Minute der Suche stieg gleichzeitig mit der Spannung auch die Frustration über die bisher ergebnislose Suche und die entstandene Trennung für die Eltern und uns. Sie kreiste aufpeitschend durch unsere Körper und schob jeden Gedanken an Entspannung zur Seite. Wo war er? Wir wollten ihn wieder in unsere Arme schließen, (das galt natürlich hauptsächlich für die Eltern, aber auch für uns zumindest im übertragenen Sinn). Die Frustration ist es auch, die bei glücklicher Wiedervereinigung uns Eltern oft gleichzeitig Schimpfen lässt, weil sie sich ein Ventil über die Aggression sucht.

Die folgende Abbildung zeigt noch einmal im Überblick die drei Kern-Emotionen, die entstehen, wenn ein Mensch mit Trennung konfrontiert ist. Sie sind normalerweise unbewusst.

Der Trennungskomplex
Der Trennungskomplex und seine Kern-Emotionen

Die roten Pfeile symbolisieren die Energie, die bei diesem Trennungsvorgang im System kreist.

Welche Erlösung war es einiger Zeit später, endlich die Rufe zu vernehmen: Wir haben ihn gefunden!

Der kleine Abenteurer hatte sich tatsächlich auf eigene Faust bis zum Starnberger See abgesetzt, saß seelenruhig auf einem Steg und hatte von der ganzen Aufregung überhaupt nichts mitbekommen. Er war in keiner Minute mit der Trennung konfrontiert gewesen, sondern nur seine Eltern und wir!

Auch die Vorstellung von Trennung löst den Kreislauf aus

Das besonders Interessante bezgl. des Trennungskomplexes ist die Tatsache, dass die Trennung noch nicht einmal real passiert sein muss, sondern allein die gedankliche Vorstellung von Trennung diesen Kreislauf in Gang setzt. Was für weitreichende Auswirkungen dies für uns Menschen hat, das lässt sich auf den ersten Blick kaum erahnen. Allein die Befürchtung von Trennung kann schon einen Kreislauf in Gang setzen, der in seiner Auswirkung für jede Menge Unruhe und Unaufmerksamkeit sorgen wird.

In diesem 1. Teil der Serie über den Trennungskomplex habe ich jetzt nur einmal kurz geschildert, welche Emotionen durch die Trennung ausgelöst werden. Das Thema ist so riesig, dass ich fast nicht gewagt hätte, es in einem Blogartikel aufzugreifen, da dieser nur einen Bruchteil des Wissens anreißen kann. Trotzdem habe ich mich getraut, einen Anfang zu machen, weil die Thematik so wichtig ist im Leben eines jeden Menschen.

Auswirkungen?

Welche Treunngssituationen gibt es im Leben eines Menschen? Wo geht diese Energie im Kreislauf jetzt hin, nachdem der Junge gefunden wurde? Wo bleibt sie in anderen Fällen, wenn die Bindung nicht wieder hergestellt werden kann? Welche gigantischen Ausmaße hat dieser Vorgang, wenn man bedenkt, was alles unter Bindung fällt? Gibt es Möglichkeiten, die Auswirkungen von Trennung zu mildern?

Hier geht es zum 2. Teil vom Trennungskomplex

In den folgenden Teilen der Serie werde ich auf diese Fragen näher eingehen. Wer vertieft in das Thema einsteigen möchte, dem möchte ich einen Kurs im Neufeld-Institut Deutschland sehr empfehlen.

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