Warum Sortenvielfalt so wichtig ist

Jeder von uns geht mindestens einmal in der Woche im Supermarkt einkaufen – unter anderem auch Obst und Gemüse. Und da liegen sie dann schön einheitlich und einander gleichend wie ein Ei dem anderen – Karotten, Gurken, Tomaten und vieles mehr. Dass Du in diesem Moment nur einen minimalen Bruchteil der unglaublichen Vielfalt siehst, die uns die Natur bietet, ist Dir beim Einkaufen in diesem Moment vermutlich kaum bewusst.

Sortenvielfalt

Tomaten beispielsweise sind nicht nur rot oder gelb. Es gibt sie in schwarz, orange oder auch grün. Gurken sind nicht immer nur glatt und grün. Es gibt sie in gelb, mit bitterem Geschmack oder klein und rund mit stacheliger Schale, die der von Kastanien gleicht. Karotten sind schon lange nicht mehr nur orange. In rot, purpur und gelb sind sie schon seit Jahrhunderten zu finden. Vielleicht fragst Du Dich jetzt, warum man von dieser Sortenvielfalt kaum etwas im Supermarkt sieht. Diese Frage ist genauso berechtigt, wie sie leicht zu beantworten ist. Die Antwort liegt in der Wirtschaftlichkeit.

Kiwano – Stachelgurke

Noch vor hundert Jahren gab es viele regionale Sorten die teilweise nur von Gärtner zu Gärtner weitergereicht wurden. Ein gutes Beispiel dafür ist der Bamberger Knoblauch. Er wurde von einem Bamberger Gärtner namens Niedermaier gerettet. Und wie das?
Ein alter, eigensinniger Gärtner (90) in der Nachbarschaft hatte diese regionale Knoblauchsorte noch auf seinem Feld, weigerte sich jedoch, ihn Niedermaier zu überlassen. Als er schließlich gestorben war, ging Niedermaier zu dessen Sohn. Der hatte weder Interesse an der Gärtnerei seines Vaters noch an dem Knoblauch, also erlaubte er Niedermaier, die letzten Knollen aus dem Feld zu holen. Ohne diesen engagierten Einsatz wäre der Bamberger Knoblauch für immer verschwunden und das wäre ein unersetzlicher Verlust gewesen.

Im Supermarkt findest Du oft deshalb nur eine Sorte, weil alte Sorten den Anforderungen der industrialisierten Landwirtschaft nicht standhalten. Sie sind (wie man so schön sagt) nicht wirtschaftlich genug. Die Vorteile liegen dabei klar auf der Hand: Modern gezüchtetes Gemüse wächst schnell und einheitlich und kann so sehr gut transportiert werden. Und nur bestimmte Sorten eignen sich, wenn die Landwirte zu einem festen Termin eine große Menge Gemüse an die Discounter liefern müssen.
Aber warum eigentlich solltest Du alten Sorten überhaupt eine Chance geben? Was haben sie zu bieten? Ganz ehrlich? Jede Menge! Alte und zum Teil historisch belegte Sorten erhalten die genetische Vielfalt und beugen dem massenhaften Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vor. Denn je vielfältiger der Anbau, desto geringer ist die Gefahr, dass Schädlinge die Nutzpflanzen befallen und massive Schäden anrichten.

Ein weiterer Vorteil?                                                                                                                                 

Jede Sorte hat andere Ansprüche und wächst daher nicht überall gleich gut. Eine große Sortenvielfalt garantiert uns, dass wir uns die beste Sorte für die jeweiligen Anforderungen aussuchen können. Inzwischen stehen leider etwa 1.800 bedrohte Nutzpflanzen auf der Roten Liste der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Ein Grund mehr, sich die immense Wichtigkeit der Erhaltung alter Sorten bewusst zu machen! Vereine wie die österreichische Arche Noah und die Schweizer Organisation ProSpecieRara leisten auf diesem Gebiet Pionierarbeit.

Fotocredit: Rupert Pressl / Schaugarten der Arche Noah in Österreich

Wusstest Du beispielsweise, dass es ca. 5500 unterschiedliche Kartoffelsorten gibt? Es wird also absolut jeder Geschmack bedient. Du liebst süße Cocktailtomaten? Du hast die Qual der Wahl! Abgesehen davon schmecken die alten Sorten einfach besser und eignen sich wunderbar für Deinen Garten oder Balkon. Übrigens eignen sie sich (entgegen dem was Du vielleicht glaubst) ebenfalls besonders für Anfänger, weil sie Fehler eher verzeihen und besser wegstecken können als das hochgezüchtete moderne Gemüse.

Kartoffelvielfalt

Und nicht wenige der alten Nutzpflanzen können eine jahrhundert- oder gar jahrtausende alte Geschichte aufweisen. So wurden sie teils schon in der Antike von berühmten Ärzten wie Hippokrates empfohlen und angewandt. Man verbindet sie mit Tradition und Heimat. Wie eben z.B. die Bamberger das mit “ihrem” Knoblauch tun. Und der vielleicht wichtigste Vorteil bei alten Sorten ist, dass sie samenfest sind. Das bedeutet, Du kannst das Saatgut nutzen und daraus neue Pflanzen ziehen. Damit machst Du Dich unabhängig von gigantischen Konzernen wie Monsanto und gewinnst ein wertvolles Stück Selbstständigkeit!

Saatgut ist Leben!

Im Baumarkt oder Gartencenter steht auf den Samentütchen oft der Zusatz “F1-Hybrid”. Was F1-Hybride sind ist recht schnell erklärt: Bei Hybridsamen werden zwei Sorten gekreuzt. Sind die “Eltern” sortenrein, erhält man in der ersten Generation einheitliche Nachkommen. Diese findest Du dann z.B. im Supermarkt. In der zweiten Generation jedoch kann es passieren, dass unerwünschte Eigenschaften durchkommen oder die Pflanzen bzw. deren Früchte nicht so aussehen wie gewünscht. Dieses Saatgut kommt von einer Handvoll mächtiger Konzerne (Monsanto, Syngenta, DuPont…), die den Weltmarkt beherrschen. Das gelingt ihnen, weil Du aus Hybridsamen (sie sind nicht samenfest) keine gesunden, neuen Pflanzen ziehen kannst. Sie eignen sich nur dann, wenn Du Kreuzungs- und Züchtungsversuche unternehmen willst.

Das Resultat?

Du bist gezwungen jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen. Du siehst also: es hat viele Vorteile alte Sorten zu erhalten! Schon heute sind viel zu viele von ihnen bereits unwiderruflich verloren gegangen. Ein Grund mehr, die restlichen davor zu bewahren. Und mal ehrlich – wäre es nicht toll, wenn Du mit einem wunderbar vielfältigen Garten beeindrucken kannst?

 

Mein Name ist Manu, ich bin gelernte Gemüsegärtnerin und blogge seit Februar 2017 auf meinem Blog ‘Urgewächse‘ über Wildkräuter aller Art, Gemüseraritäten und alte Sorten. Als zertifizierte Kräuterfachfrau liegt es mir außerdem am Herzen aufzuzeigen, warum es kein Unkraut gibt und es sich mehr als nur lohnt, die schier unglaubliche Sortenvielfalt zu erhalten.

2 Kommentare

  • Danke!!!

    Schreibe gerade eine Diplomarbeit über das Thema und dein Artikel hat mir sehr weitergeholfen!
    Hast du noch weiter Artikel/Berichte über Sortenvielfalt oder ähnliches verfasst?

    LG

    Rainer

    Antworten

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